Euler, Leonhard: Lettres à une princesse d> Allemagne sur divers sujets de physique et de philosophie. Publiées sous la direction de Shristi D. Chatterji. Lausanne: Presses polytechniques et universitaires romandes, 2003. XXIX + 512 S., ISBN 2-88074-524-1, 48,00 CHF.

Leonhard Eulers Briefe an eine deutsche Prinzessin sind ein Klassiker der allgemeinverständlichen naturwissenschaftlichen Literatur. Die an die 15-17 Jahre alte Tochter des mit Euler befreundeten Markgrafen Friedrich-Heinrich von Brandenburg-Schwedt gerichteten, in französischer Sprache abgefaßten Briefe aus den Jahren 1760-1762 sollten die junge Empfängerin in die Grundlagen der Physik und in einige damit verbundene erkenntnistheoretische und theologische Fragen einführen. In Petersburg, wohin Euler 1766 zurückgekehrt war, wurden die Briefe 1768 zum erstenmal in der Originalfassung veröffentlicht. Das Buch war sehr erfolgreich und erlebte zahlreiche Neuauflagen und übersetzungen in fast alle europäischen Sprachen. Auch als die Entwicklung der Physik weiter fortschritt, war die Faszination, die von Eulers Briefen ausging, ungebrochen. Im 19. Jahrhundert erschien eine erweiterte deutsche Neubearbeitung, und im 20. Jahrhundert wurde der Originaltext in der großen Euler-Gesamtausgabe nachgedruckt (Leonhard Euler: Opera omnia, III/11, 1960). 1986 erschien bei Vieweg (Braunschweig) ein von Karin Reich vorgestellter Faksimile-Nachdruck der ersten deutschen Übersetzung von 1769/1773.

Der hier vorliegende, von dem in Lausanne lehrenden Mathematiker Shristi D. Chatterji herausgegebene Wiederabdruck des französischen Originaltextes ist keine mit Anmerkungen und Kommentaren befrachtete wissenschaftliche Edition, sondern richtet sich an ein breites historisch und naturwissenschaftlich interessierte Laienpublikum, das eingeladen wird, sich von einem der bedeutendsten Gelehrten des 18. Jahrhunderts in klarer und verständlicher Form in die Physik und die Philosophie des Aufklärungszeitalters einführen zu lassen. Da sich französische Texte aus dem 18. Jahrhundert anders als viele deutsche Texte aus derselben Zeit in sprachlicher Hinsicht von moderner Prosa nur wenig unterscheiden, ist zu erwarten, daß auch diese Ausgabe viele Leser finden wird.

Für Wissenschaftshistoriker aller Sprachgemeinschaften ist der Band vor allem deswegen von Interesse, weil hier eine zuverlässige und preisgünstige Ausgabe des Originaltextes zur Verfügung steht, der sonst nur in den alten Ausgaben aus dem 18. Jahrhundert oder in der unhandlichen und teuren Euler-Edition vorliegt, die als Vorlage benutzt wurde. Die Einleitung des Herausgebers enthält einen kurzen Überblick über Eulers Leben und Werk, eine summarische Beschreibung der Briefe und einige Informationen über die Euler-Edition. Als Anhang wurde die 1783 in der Pariser Akademie vorgetragene Gedenkrede auf Euler von Condorcet hinzugefügt, die dem Verfasser viel Spott eingetragen hat, weil er darin Basel ins Hochgebirge verlegt und den dort geborenen und aufgewachsenen Euler als jugendlichen Alpenbewohner (`jeune habitant des AlpesA ) bezeichnet.

Andreas Kleinert (Halle)